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04492 Die EU-Maschinenverordnung in der Produktion

Mit der neuen EU-Maschinenverordnung 1230/23 wird die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG abgelöst. Das Ziel ist, ein einheitliches und hohes Schutzniveau für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt im Umgang mit Maschinen in der EU sicherzustellen. Besonders für Hersteller und Betreiber von Maschinen bringt die Verordnung weitreichende Änderungen und neue Anforderungen mit sich. Gleichzeitig trägt die Verordnung den Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung, künstliche Intelligenz und IT-Sicherheit Rechnung.
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1 Hinweis zum Inkrafttreten

Die EU-Maschinenverordnung wurde am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 19. Juli 2023 in Kraft getreten.
Verbindlich ab 20. Januar 2027
Die verpflichtende Anwendung beginnt jedoch erst am 20. Januar 2027. Bis zu diesem Stichtag bleibt die bisherige Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) weiterhin gültig. Für Hersteller, Integratoren und Betreiber bedeutet dies eine Übergangszeit zur Vorbereitung, in der bestehende Prozesse, Dokumentationen und Systeme an die neuen Anforderungen angepasst werden können.

2 Von der Richtlinie zur Verordnung

Sofortige Geltung
Die Umwandlung in eine EU-Verordnung verschafft ihr unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten ohne nationale Umsetzung. Damit werden Unterschiede in der Auslegung und Anwendung beseitigt. Hersteller müssen sich nun direkt an die einheitlichen Vorschriften halten. Die neue Verordnung soll ein kohärentes Regelwerk schaffen, das für alle Akteure im Binnenmarkt klare Vorgaben macht und den freien Warenverkehr fördert.

3 Erweiterter Anwendungsbereich

Die neue Maschinenverordnung erfasst ein weiter gefasstes Spektrum an Produkten. Sie gilt nicht nur für Maschinen im klassischen Sinn, sondern auch für
auswechselbare Ausrüstungen,
Sicherheitsbauteile (einschließlich rein digitaler Komponenten),
Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile, Gurte,
abnehmbare Gelenkwellen und
unvollständige Maschinen, die erst durch Kombination mit anderen Bauteilen funktionstüchtig werden.
Maschinen KI-basiert inkludiert
Auch Maschinen mit selbstentwickelndem Verhalten, wie sie im Zusammenhang mit KI-Systemen entstehen, werden erfasst. Ausgenommen bleiben lediglich bestimmte Produktgruppen wie Fahrzeuge mit EU-Typgenehmigung oder Haushaltsgeräte, die unter andere EU-Rechtsakte fallen.

4 Neue Anforderungen an Hersteller

Hersteller sind verpflichtet sicherzustellen, dass ihre Produkte die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (GSGA) gemäß Anhang III erfüllen. Dazu gehören die folgenden:
Risikobeurteilung muss Softwareupdates berücksichtigen.
Erstellung technischer Unterlagen gemäß Anhang IV, inklusive Sicherheitsanalysen, Betriebsanleitungen und ggf. Quellcode
Durchführung eines passenden Konformitätsbewertungsverfahrens gemäß Artikel 25
Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung sowie Anbringung der CE-Kennzeichnung
Sicherstellung der dauerhaften Verfügbarkeit der Betriebsanleitungen, digital oder auf Wunsch in Papierform
Zehnjährige Verfügbarkeit notwendig
Die technische Dokumentation muss über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nach dem Inverkehrbringen verfügbar bleiben und kann bei sicherheitskritischer Software auch Quellcode oder Programmierlogik umfassen.

5 Umgang mit Digitalisierung und Softwareänderungen

Die Maschinenverordnung trägt den Entwicklungen in der Digitalisierung Rechnung. Sicherheitssoftware = eigenes Sicherheitsbauteil: Software, die Sicherheitsfunktionen erfüllt, wird erstmals explizit als eigenständiges Sicherheitsbauteil anerkannt – unabhängig davon, ob sie in Hardware integriert oder separat bereitgestellt wird. Dies betrifft insbesondere
Steuerungssoftware,
Sicherheitsüberwachungssysteme,
Diagnosesoftware,
Softwareupdates und Patches.
KI-Systeme erfordern besondere Bewertung: Ein besonderer Fokus liegt auf Systemen mit selbstlernendem Verhalten, etwa bei KI-basierten Steuerungen oder autonomen Robotern. Diese Systeme können ihr Verhalten über die Zeit verändern und müssen daher in der Risikobeurteilung und bei der Konformitätsbewertung besonders berücksichtigt werden. Für solche Systeme kann die Einschaltung einer notifizierten Stelle verpflichtend sein.
Cybersecurity ist Pflicht – keine Kür: Gleichzeitig verlangt die Verordnung angemessene Maßnahmen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit, um Angriffe durch Dritte abzuwehren. Dazu zählen die folgenden:
Schutz vor unautorisiertem Zugriff auf sicherheitsrelevante Softwarefunktionen
Absicherung von Kommunikationsschnittstellen (z. B. WLAN, IoT, Fernwartung)
Integrität und Authentizität von Softwareupdates
Nachvollziehbarkeit sicherheitskritischer Änderungen (Changemanagement)
Notfallmaßnahmen bei Cybervorfällen
Nachträgliche Änderung erfordert neue Risikobeurteilung
Wird eine sicherheitsrelevante Software nachträglich verändert – etwa im Rahmen von Updates oder infolge externer Eingriffe –, kann dies als „wesentliche Veränderung” gelten. In diesem Fall ist eine erneute Risikobeurteilung und ggf. eine neue Konformitätsbewertung notwendig. Auch der Quellcode muss evtl. auf begründetes Verlangen der Behörden offengelegt werden.

6 Wesentliche Veränderungen = neue Verantwortung

Wesentliche Veränderung = neue Herstellerpflicht: Wer eine Maschine oder ein dazugehöriges Produkt wesentlich verändert – sei es mechanisch, elektrisch oder softwareseitig –, übernimmt rechtlich die Rolle des Herstellers. Dies bedeutet:
Durchführung einer neuen Risikobeurteilung
Vollständige technische Dokumentation
Neues Konformitätsbewertungsverfahren
Neue Gefährdung oder erhöhtes Risiko sind Kriterien
Doch wann liegt eine solche „wesentliche Veränderung” tatsächlich vor? Die Maschinenverordnung liefert dazu nun eine klare Definition: Eine Änderung gilt dann als wesentlich, wenn sie nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme erfolgt, vom ursprünglichen Hersteller weder vorgesehen noch technisch vorbereitet wurde und gleichzeitig neue Gefährdungen entstehen oder bestehende Risiken erhöht werden. Solche Änderungen – ob physisch oder digital – erfordern in der Folge neue Schutzmaßnahmen.
In diesen Fällen wird derjenige, der die Änderung vornimmt, als Hersteller im Sinne der Verordnung eingestuft – mit allen daraus resultierenden Pflichten gemäß Artikel 10. Dazu gehören unter anderem die Durchführung eines vollständigen Konformitätsbewertungsverfahrens, die Erstellung der technischen Dokumentation sowie das Ausstellen einer neuen EU-Konformitätserklärung.

7 Digitalisierung der Dokumentation

Digitale Dokumentation zulässig – Papier auf Wunsch: Die Maschinenverordnung erlaubt die digitale Bereitstellung von Betriebsanleitungen und EU-Konformitätserklärungen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
Dauerhafte Onlineverfügbarkeit für mindestens zehn Jahre
Möglichkeit zum Download und Ausdruck
Papierform auf ausdrücklichen Wunsch des Käufers, insbesondere bei sicherheitsrelevanten Produkten
Laienprodukten müssen sicherheitsrelevante Informationen in jedem Fall in Papierform beiliegen, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten.

8 Verantwortung entlang der Lieferkette

Jeder Akteur in der Lieferkette trägt Verantwortung: Die Maschinenverordnung stärkt die Verantwortung aller Wirtschaftsakteure:
Hersteller: Technische Konformität und vollständige Dokumentation
Einführer: Sicherstellung der Konformität importierter Produkte und ihrer Kennzeichnung
Händler: Kontrolle der Produktkennzeichnung und der Verfügbarkeit der Dokumentation
Jede Partei muss bei festgestellten Mängeln geeignete Korrekturmaßnahmen ergreifen und gegebenenfalls Rückrufaktionen einleiten. Eine transparente Kommunikation mit den Behörden ist verpflichtend.

9 Die Rolle der Betreiber in der Tiefe

Operative Herausforderung
Betreiber haften bei Integration und Änderungen: Für Betreiber bedeutet die neue Maschinenverordnung nicht nur eine formale Mitverantwortung, sondern vor allem eine operative Herausforderung. Sie sind für die sichere Verwendung, regelmäßige Wartung, sachgerechte Einbindung von Maschinen in Produktionssysteme und die Dokumentation im laufenden Betrieb verantwortlich. Dies betrifft insbesondere Folgendes:
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