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05264 Burnout aus psychologischer und juristischer Sicht

Unter den psychischen Erkrankungen, die zur Arbeitsunfähigkeit führen, spielen insbesondere depressive Episoden oder depressive Störungen eine maßgebliche Rolle. In den letzten Jahren ist für solche psychischen Beeinträchtigungen auch der Begriff „Burnout” populär geworden und mithin das Interesse der Öffentlichkeit, aber auch der Arbeitgebenden an psychischen Belastungen und deren Folgen in der Arbeitswelt angefacht worden. Ein Grund dafür sind die negativen Auswirkungen, die der überlastungsbedingte Ausfall bzw. die Einschränkung der Arbeitskraft besonders leistungsstarker und engagierter Mitarbeitenden für Betriebe hat. Betriebliche Produktivitäts- und Wertschöpfungseinbußen sowie mittelbare Wettbewerbsnachteile können die Folge sein.
Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag die folgenden Fragestellungen beleuchten:
Was versteht man unter dem Begriff „Burnout” und welche Rolle spielt die Arbeitstätigkeit bei seiner Entstehung?
Wie hat sich der Umgang mit Burnout in Arbeitsrecht und Arbeitspraxis in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt?
Welche rechtlichen Pflichten bzw. Schutzmechanismen sieht das Arbeitsrecht zur Vorbeugung gegen Burnout vor, und welche Tauglichkeit sowie Probleme ergeben sich bei ihrer praktischen Umsetzung?
Inwieweit können möglicherweise noch bestehende gesetzliche Regelungslücken durch andere – vornehmlich betriebliche – Lösungsansätze geschlossen werden?
Welche Präventions- und Interventionsmaßnahmen aus arbeits- und organisationspsychologischer Perspektive bieten sich an?
von:

1 Einführung

Volkswirtschaftliche Relevanz
Kaum ein Phänomen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements wurde in den letzten zehn Jahren in Deutschland so häufig und kontrovers diskutiert wie der „Burnout”. Für die Politik und die Öffentlichkeit sind psychische Belastungen und Stress am Arbeitsplatz, die maßgeblich unter dem Begriff Burnout eine Dynamik entwickelt haben, vor allem durch ihre zunehmend negativen volkswirtschaftlichen Ausprägungen sichtbar und relevant geworden. So waren allein im Jahr 2020 psychische und Verhaltensstörungen – zum genauen Zusammenhang mit Burnout s. Abschn. 2.2. – für mehr als 118 Millionen Krankheitstage verantwortlich, was zu Produktionsausfallkosten i. H. v. € 14,6 Mrd. und einem Ausfall an Bruttowertschöpfung i. H. v. € 24,3 Mrd. in Deutschland führte [1].
Arbeitsrechtliche Relevanz
Weiterhin ist die Gewährleistung eines psychischen Arbeitnehmerschutzes nach aktueller Rechtslage Bestandteil der Erfüllung des gesetzlichen Pflichtenkatalogs von Arbeitgebenden und erlangt auch mit Blick auf die Abwendung von Klagen zunehmende Relevanz. Deutlich wird dies anhand eines Rechtsstreits, der im Jahr 2018 dem schweizerischen Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorlag. Inhaltlich ging es um eine Schadensersatzklage einer schweizerischen Beamtin gegen ihren Dienstherrn aufgrund eines arbeitsbedingten Burnouts. In diesem Verfahren gab das Gericht der Beschwerde der Beamtin teilweise statt und stellte positiv fest, dass der Dienstherr trotz wiederholter Hinweise der Beamtin auf ihre übermäßige Arbeitsbelastung keine ausreichenden Maßnahmen getroffen habe, um die Belastung hinreichend zu verringern. Das Novum an dieser Entscheidung ist vor allem die Deutlichkeit, in der das Gericht feststellte, dass der streitbeteiligte Dienstherr die ihm obliegenden Fürsorgepflichten hinsichtlich der psychischen Gesundheit seiner Arbeitnehmer verletzt hat. Bislang war die Rechtsprechung – vor allem die deutsche – auf diesem Gebiet zurückhaltend und stellte hohe Anforderungen an die Annahme einer solchen Pflichtverletzung. Daher könnte dieses Verfahren auch wegweisend für die deutsche Rechtsprechung hinsichtlich Schadensersatzklagen sein und verdeutlicht, dass es für Unternehmen und Arbeitgebende umso wichtiger sein wird, ihre rechtlichen Pflichten hinsichtlich des Schutzes ihrer Arbeitnehmenden zu kennen und diesen auch nachzukommen.

2 Der Begriff Burnout und seine Zusammenhänge mit der Arbeitswelt bzw. -tätigkeit

2.1 Definition

Begriffsbedeutung und -prägung
Zunächst ist die Bedeutung des Begriffs Burnout zu klären. Burnout bedeutet bei wörtlicher Übersetzung aus dem Englischen (von: „to burn out”) „Ausbrennen” bzw. „ausgebrannt sein” und ist für sich genommen kein neuer Begriff. Begründet und geprägt wurde er durch den Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger bereits im Jahr 1974. Dieser beschrieb damit ursprünglich eine Krise von vornehmlich sozial engagierten Berufsgruppen, die infolge ihres Überengagements ihr Leistungsniveau nicht mehr aufrechterhalten konnten. Jedoch hat sich das Verständnis von Burnout seit seiner Begriffsbegründung gewandelt.
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