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04810 Lärm am Arbeitsplatz

Eine Kernforderung des Arbeitsschutzgesetzes sowie aller nachfolgenden Verordnungen ist die Gefährdungsbeurteilung. Der Begriff beschreibt die systematische Ermittlung, Bewertung und Beurteilung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten bei der Arbeit. Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist es, erforderliche Schutzmaßnahmen festzulegen, damit eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Eine dieser relevanten Gefährdungen der Beschäftigten bei der Arbeit ist seit jeher der Lärm. Dieser Beitrag vermittelt grundlegende Informationen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der Einwirkung von Lärm am Arbeitsplatz.
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1 Problembeschreibung

Mit Lärm am Arbeitsplatz verbinden wir in der Regel alle hörbaren Geräusche, die für unsere Tätigkeit keine notwendigen Informationen (Sprache oder Signale) übermitteln und uns somit stören, belästigen oder auch gesundheitlich schädigen. In der Vergangenheit beschränkte sich die Präventionsarbeit dabei meist auf die sehr lauten Geräusche, von denen eine Schädigungsgefahr für das Gehör ausging. Hier hat es mittlerweile ein Umdenken gegeben, da im Arbeitsschutzgesetz die Vermeidung von Gefährdungen der physischen und psychischen Gesundheit gleichgestellt wurde. Für die Gefährdungsbeurteilung bedeutet dies, dass alle Arbeitsplätze hinsichtlich einer Lärmeinwirkung betrachtet werden müssen und dabei die Erkennung von Gefährdungen nicht mehr nur allein durch Schalldruckpegelmessungen erfolgen kann (als Beispiel sei hier der tropfende Wasserhahn oder ein zu lauter PC-Lüfter im Bereich eines Programmierarbeitsplatzes genannt). In der heutigen Arbeitswelt sind es auch nicht mehr nur hörbare Geräusche, die störend oder schädigend auf uns einwirken. Es gibt eine Reihe von Arbeitsplätzen, an denen neben den Schalleinwirkungen im Hörfrequenzbereich auch Infraschall oder Ultraschall vorkommt. Insgesamt gesehen ist für das Messen und Beurteilen von Schalleinwirkungen bei der Arbeit eine umfangreiche Fachkunde erforderlich, die Kenntnisse über schalltechnische Grundlagen (z. B. Schalldruckpegelgrößen, Frequenzbewertungsfilter, Frequenzanalyse, Zeitbewertung), Lärmwirkungen, Messtechnik (z. B. Gerätearten, Anforderungen, Anwendungsbereiche, Bedienung), Messvorschriften, Arbeitsschutzvorschriften und Regelwerke sowie geeignete Schutzmaßnahmen umfasst.

1.1 Arbeitsmittel für die Problemlösung

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) – Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Stand: Oktober 2013; www.gesetze-im-internet.de)
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) (Stand: Oktober 2013; www.gesetze-im-internet.de)
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) – Verordnung über Arbeitsstätten (Stand: August 2015; www.gesetze-im-internet.de)
Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) – Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Stand: Juli 2010; www.baua.de/trlv)
TRLV Lärm (Stand: Januar 2010; www.baua.de/trlv)
Teil Allgemeines
Teil 1: Beurteilung der Gefährdung durch Lärm
TRLV Lärm Teil 2: Messung von Lärm
TRLV Lärm Teil 3: Lärmschutzmaßnahmen
DIN EN ISO 9612 (September 2009): Akustik – Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz – Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieurverfahren)
DIN 45645 Teil 2 (September 2012): Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messungen – Teil 2: Ermittlung des Beurteilungspegels am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten unterhalb des Pegelbereiches der Gehörgefährdung
VDI 2058
Blatt 2 (Juni 1988): Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung
Blatt 3 (August 2014): Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten
VDI 3766 (September 2012): Ultraschall – Arbeitsplatz – Messung, Bewertung, Beurteilung und Minderung
DGUV Regel 112-194 (Januar 2015; bisher BGR 194): Benutzung von Gehörschutz (www.dguv.de Webcode: d32811)
DGUV Information 209-023 (November 2013; bisher BGI 688): Lärm am Arbeitsplatz (www.dguv.de Webcode: d32811)
DGUV-Information Nr. 18 (Oktober 2013): „Lärm-Stress” am Arbeitsplatz – Nicht das Innenohr betreffende, extra-aurale Lärmwirkungen (www.dguv.de Webcode: d130288)
Fachausschuss-Informationsblatt Nr. 13 (August 2010): Leise Maschinen – Auswahl und Beschaffung (www.dguv.de Webcode: d130288)
Informationsmodul „Funktionskontrollen bei Gehörschutz-Otoplastiken” (September 2011) des DGUV Fachbereichs Persönliche Schutzausrüstungen (www.dguv.de Webcode: d995911)
Schulungsprogramm Lärm – Unterweisung bei Gefährdung durch Lärm (www.bgetem.de ; Webcode: 11205644; Bestell-Nr. PU 006)
IFA-LSI 01-200 (Dezember 2015): Geräuschminderung an Arbeitsplätzen – Bezugsquellen für Lärmschutzmaterialien, Bauelemente und Werkzeuge (www.dguv.de Webcode: d133135)
IFA-LSA 01-234 (August 2014): Raumakustik in industriellen Arbeitsräumen – Anforderungen, Grundlagen, Messverfahren, Maßnahmen, Lärmminderungserfolge (www.dguv.de Webcode: d133135)
IFA-LSA 01-243 (Oktober 2014): Geräuschminderung durch Kapselung – Hinweise zur Gestaltung von Kapseln einfacher Bauart (www.dguv.de Webcode: d133135)
IFA-Lärmexpositionsrechner (Februar 2016; wahlweise als Web- oder Excel-Anwendung; www.dguv.de Webcode: d10635)
IFA-Software zur Auswahl von Gehörschützern (Version 9.01; Februar 2014; www.dguv.de ; Webcode d4785)
Lärm-Belastungs-Rechner Land Brandenburg (Februar 2014; Excel-Anwendung; www.karla-info.de > Hinweise)

2 Berufliche Schalleinwirkungen

Der Mensch kann Frequenzen zwischen 16 Hz und 16 kHz hören. Der Schall innerhalb dieses Hörfrequenzbereichs heißt Hörschall. Unterhalb und oberhalb des Hörfrequenzbereichs wird der Schall als Infraschall (<16 Hz) bzw. Ultraschall (>16 kHz) bezeichnet. Der Hörfrequenzbereich ist per Definition in der Normung weiterhin in
tieffrequenten Schall (<140 Hz, Frequenzbereich der Terzmittenfrequenzen 8–125 Hz),
Sprachfrequenzbereich (100 Hz–8 kHz) und
erweiterten Hochtonbereich (8–16 kHz)
unterteilt.
Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist die nachfolgende Klassifizierung sinnvoll:
Infraschall
Tieffrequenter Schall
Sprachfrequenzbereich
Ultraschall
Hochfrequenter Schall (8–20 kHz).
In Abbildung 1 sind die vorstehend aufgeführten Zusammenhänge grafisch dargestellt.
Abb. 1: Veranschaulichung der relevanten Frequenzbereiche für berufliche Schalleinwirkungen
Die in der modernen Arbeitswelt vorkommenden Schalleinwirkungen verteilen sich auf der Frequenzachse vom Infraschallbereich über den gesamten Hörfrequenzbereich bis in den Ultraschallbereich. Für die Gefährdungsbeurteilung ist es wichtig zu wissen, in welchen Frequenzbereichen die zu beurteilenden Schalleinwirkungen liegen. In Abhängigkeit von dieser Fragestellung
sind unterschiedliche Wirkungen auf den Menschen zu erwarten;
ist die geeignete Messtechnik und Messvorschrift auszuwählen;
sind die richtigen Beurteilungskriterien auszuwählen;
sind geeignete Schutzmaßnahmen auszuwählen.
Der Großteil aller beruflichen Schalleinwirkungen hat seine pegeldominierenden Frequenzanteile im Sprachfrequenzbereich. Hohe Infraschallimmissionen kommen im industriellen Bereich z. B. an Hochöfen und Kompressoren vor. Weitere Quellen für sehr tieffrequenten Schall sind Verkehrsmittel, wie z. B. Schiffe, Flugzeuge und Fahrzeuge. Aerodynamische Schallquellen sind ein typisches Beispiel für hochfrequenten Schall. Hier entstehen aufgrund hoher Strömungsgeschwindigkeiten von Luft oder Gasgemischen Geräusche, deren dominante Frequenzanteile oberhalb des Sprachfrequenzbereichs liegen und bis in den unteren Ultraschallbereich reichen. Beispielhaft sind dafür Ansaug- und Ausblasöffnungen von Lüftern und Kompressoren, Sicherheitsventile, Druckluftpistolen, Strahltriebwerke und Brenner zum Stahlschmelzen anzuführen. Industrielle Ultraschallanwendungen wie z. B. das Reinigen, Schweißen, Bohren und Schneiden sind mittlerweile weit verbreitet. An derartigen Arbeitsplätzen sind die Beschäftigten sehr häufig einer Kombination von Ultraschall und hochfrequentem Schall ausgesetzt. Zur Verdeutlichung zeigen die Abbildungen 2 bis 5 Frequenzspektren verschiedener Schallquellen, deren pegeldominierende Frequenzanteile in unterschiedlichen Frequenzbereichen liegen.
Abb. 2: Tieffrequentes Frequenzspektrum eines Rütteltisches
Abb. 3: Frequenzspektrum einer Schleifmaschine mit dominanten Frequenzanteilen im Sprachfrequenzbereich
Abb. 4: Hochfrequentes Frequenzspektrum einer Druckluftpistole
Abb. 5: Frequenzspektrum einer Ultraschall-Schweißmaschine

3 Wirkungen von Schall auf den Menschen

Laut Normung ist Lärm als ein unerwünschtes Geräusch zu verstehen, das den Menschen stört, belästigt oder gesundheitlich schädigt. Diese Definition macht bereits deutlich, dass durch Lärm beim Menschen unterschiedlichste Wirkungen auftreten können, die grundlegend in extraaurale und aurale Wirkungen unterschieden werden. Eine Übersicht zu den möglichen Lärmwirkungen zeigt Abbildung 6.
Abb. 6: Übersicht zu möglichen Wirkungen von Schall auf den Menschen

3.1 Extraaurale Lärmwirkungen

Als extraaural werden Wirkungen bezeichnet, die nicht direkt das Gehör betreffen. So kann z. B. durch einen erhöhten Lärmpegel eine deutliche Beeinträchtigung der sprachlichen Verständigung auftreten. Am Arbeitsplatz kann dies zu erhöhten Unfallgefahren führen, weil z. B. Anweisungen oder Warnrufe nicht richtig verstanden oder aber auch gefahrankündigende Geräusche bzw. akustische Warnsignale nicht wahrgenommen werden. Als erste Folge von als belastend empfundenem Lärm sind Stressreaktionen zu verzeichnen, die sowohl psychisch (z. B. als Verärgerung, Anspannung und Nervosität) als auch physisch (z. B. durch veränderte Atemrate und erhöhten Blutdruck) feststellbar sind. Derartige Stressreaktionen wirken sich negativ auf das Konzentrationsvermögen und die Leistungsfähigkeit aus, was wiederum zu erhöhten Fehlerraten, verringerter Produktivität und einer erhöhten Unfallgefahr führen kann. Vegetative, physiologische Reaktionen verschiedener Organsysteme treten bei Schalldruckpegeln ab etwa 60 dB(A) auf, während die psychischen Wirkungen schon deutlich darunter vorkommen. Sowohl die vegetativen als auch die psychischen Wirkungen des Lärms können akut auftreten oder sich chronisch manifestieren. Ausführlichere Informationen hinsichtlich extraauraler Lärmwirkungen sind in der DGUV-Information Nr. 18 „Lärm-Stress am Arbeitsplatz” (siehe Arbeitsmittel für die Problemlösung) zu finden.

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