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04282 Grenzwerte im Arbeitsschutz

Um Beschäftigte vor gesundheitsgefährdenden Stoffkonzentrationen am Arbeitsplatz zu schützen, werden Grenzwerte von Institutionen in Deutschland und Europa erarbeitet. Es gibt gesundheitsbasierte Grenzwerte und, vor allem für krebserzeugende Stoffe, risikobasierte Grenzwerte. Man unterscheidet Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz und biologische Grenzwerte. Die in Deutschland rechtlich gültigen Grenzwerte für den Arbeitsplatz werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht.
Der Beitrag stellt die Institutionen vor, die Grenzwerte für den Arbeitsplatz ableiten, erläutert die verschiedenen Grenzwerte sowie deren rechtliche Relevanz und macht an zahlreichen Beispielen die Anwendung der Grenzwerte in der Praxis deutlich.
von:

1 Grenzwerte ableitende Institutionen

Grenzwerte für den Arbeitsschutz werden von zahlreichen Institutionen aufgestellt. Die EU, die MAK-Kommission und der Ausschuss für Gefahrstoffe leiten Grenzwerte ab, andere Länder haben ähnliche Gremien, die staatliche Grenzwerte für den Arbeitsplatz ableiten. Schließlich müssen die Hersteller nach der REACH-VO sogenannte DNEL (Derived No-Effect Level) für den Arbeitsschutz festlegen.
Wichtig ist vor allem der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS). Er ist mit fünf „Bänken” besetzt, jeweils vier Vertreter der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Unfallversicherungsträger, der Länder sowie Experten. Der AGS orientiert sich bei seinen Grenzwerten an toxikologischen Erkenntnissen und berücksichtigt in Einzelfällen zudem ökonomische Argumente, v. a. was den Zeitpunkt der Inkraftsetzung von Grenzwerten betrifft. Er berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Der AGS leitet Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) ab sowie Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen für krebserzeugende Stoffe, die Exposition-Risiko-Beziehung (ERB). In letzter Zeit werden auch „Beurteilungsmaßstäbe” festgelegt (z. B. für Quarzstaub). Beurteilungsmaßstäbe sind ein Kompromiss zwischen AGW und ERB.
Ausschuss für Gefahrstoffe
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales setzt die ERB und AGW des AGS durch Veröffentlichung in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte” und 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen” im Gemeinsamen Ministerialblatt in nationales Recht um.
MAK-Kommission
Bekannter als der Ausschuss für Gefahrstoffe ist oft die MAK-Kommission, die ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die MAK-Kommission leitet MAK-Werte nach streng wissenschaftlichen Kriterien ab. Die Werte werden regelmäßig im Sommer in der MAK- und BAT-Werte-Liste veröffentlicht (60. Liste, 2024).
Definitionen von AGW, MAK-Wert und DNEL:
Der Arbeitsplatzgrenzwert ist der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzenration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.
Der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatz-Konzentration) ist die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffs als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich 8-stündiger Exposition, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im Allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt (z. B. durch ekelerregenden Geruch).
Ziel der Ermittlung schädlicher Wirkungen auf die Gesundheit des Menschen ist es, die Einstufung eines Stoffs gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zu bestimmen und für den genannten Stoff Expositionsgrenzwerte abzuleiten, die bei der menschlichen Exposition nicht überschritten werden sollten. Dieser Expositionsgrenzwert wird als Derived No-Effect Level (DNEL, Exposition, unterhalb der ein Stoff zu keiner Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führt) bezeichnet.
AGS und MAK-Kommission leiten auch biologische Grenzwerte ab. Die MAK-Kommission gibt zudem Hintergrundbelastungen an, Stoffkonzentrationen in Blut oder Urin von Personen, die beruflich nicht exponiert sind.
Zwar sind es teilweise dieselben Personen, die Grenzwerte in der MAK-Kommission bzw. im AGS ableiten, trotzdem können die beiden Institutionen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Einerseits leitet die MAK-Kommission i. d. R. keine Grenzwerte für krebserzeugende Stoffe ab, andererseits berücksichtigt der AGS nicht nur wissenschaftliche Kriterien bei der Ableitung.
Europäische Union
Weiter relevant sind die von der Europäischen Union (EU) gesetzten Grenzwerte. Bis 2019 hat dazu das Scientific Committee on Occupational Exposure Limits (SCOEL, eine Art MAK-Kommission der EU) die EU beraten. Das SCOEL hat Grenzwerte abgeleitet, die die EU als Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte (IOELV: Indicative Occupational Exposure Limit Value) bzw. verbindliche EU-Arbeitsplatzgrenzwerte (BOELV: Binding Occupational Exposure Limit Value, Mindeststandards, sind von den Mitgliedstaaten zu übernehmen) veröffentlicht hat.
Tabelle 1: EU-Richtlinien mit Stoffgrenzwerten
Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte
Verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte (BOELV)
1.
Richtlinie 2000/39/EG
2.
Richtlinie 2006/15/EG
3.
Richtlinie 2009/161/EU
4.
Richtlinie 2017/164/EU
5.
Richtlinie 2019/1831/EU
Gefahrstoffrichtlinie(Richtlinie 98/24/EG)
Karzinogen/Mutagen-Richtlinie(CMR-Richtlinie 2004/37/EG,
1.
Änderung 2017/2398;
2.
Änderung 2019/130;
3.
Änderung 2019/983;
4.
Änderung 2022/431)
Asbestrichtlinie(Richtlinie 2009/148/EG)
Als Folge der Überprüfung der REACH-Verordnung wurde diese Grenzwertsetzung ab 2019 dem Committee for Risk Assessment (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur ECHA übertragen. Dieser Übergang vom SCOEL zum RAC wird im Dokument „Appendix to Chapter R.8: Guidance for preparing a scientific report for health-based exposure limits at the workplace” ausführlich beschrieben.
Die zurzeit geltenden EU-Grenzwerte können den Richtlinien in Tabelle 1 entnommen werden. Die 5. Änderung der CMR-Richtlinie kommt u. a. mit Blei und Diisocyanaten, die 6. mit Schweißrauchen und PAK (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe).
Abb. 1: Estrichglätten mit benzinbetriebenen Glättmaschinen ist mit hohen CO-Expositionen verbunden.
Die Mitgliedstaaten können unter Berücksichtigung der Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte nationale Arbeitsplatzgrenzwerte festlegen. In Deutschland gelten sowohl niedrigere (z. B. Tetrachlorethylen: EU 138 mg/m³, Deutschland 69 mg/m³) als auch höhere Arbeitsplatzgrenzwerte (z. B. sec-Butylacetat: EU 241 mg/m³, Deutschland 300 mg/m³).
In anderen Ländern wird sich teilweise an den Erkenntnissen der MAK-Kommission orientiert, meist leiten dort ebenfalls staatliche bzw. wissenschaftliche Institutionen Grenzwerte ab. Die DGUV listet solche ausländischen Grenzwerte in ihrer Datenbank „Internationale Grenzwerte für chemische Substanzen” auf.
Die REACH-Verordnung verlangt von den „Inverkehrbringern” von Stoffen (Hersteller und Importeure), dass sie DNEL-Werte (Derived No-Effect Level, abgeleitetes Null-Effekt-Niveau; s. Tab. 1) ableiten für
die wahrscheinlichen Expositionswege (inhalativ, dermal und oral),
jede relevante Bevölkerungsgruppe (z. B. Arbeitnehmer, Verbraucher und Menschen, bei denen es indirekt über die Umwelt zu einer Exposition kommen könnte) sowie
gegebenenfalls für bestimmte Untergruppen (z. B. Kinder, Schwangere).
DNEL nach REACH
Die ECHA-Leitlinie „Guidance R.8” nennt als Hilfe zur Umsetzung von REACH 15 verschiedene DNEL, von denen für den Arbeitsplatz vier besonders wichtig sind:
Arbeitnehmer: Langzeit – inhalativ-systemische Wirkungen,
Arbeitnehmer: Langzeit – inhalativ-lokale Wirkungen,
Arbeitnehmer: Langzeit – dermal-systemische Wirkungen,
Arbeitnehmer: Langzeit – dermal-lokale Wirkungen.
So hat z. B. Butanonoxim einen DNEL von 3,3 mg/m³ für die inhalativ-lokale Wirkung und einen DNEL von 9 mg/m³ für die inhalativ-systemische Wirkung. Tabelle 2 und der folgende Kasten zeigen DNEL in Sicherheitsdatenblättern.
Tabelle 2: DNEL für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen für Arbeiter und Verbraucher in einem Sicherheitsdatenblatt von Bitumen (engl. Asphalt)
Produkt- bzw. Inhaltsstoffname
Typ
Exposition
Wert
Population
Asphalt
DNEL
Langfristig einatmen,zeitlich gemittelter Grenzwert
2,9 mg/m3
Arbeiter
DNEL
Langfristig einatmen,24 Stunden zeitlich gemittelter Grenzwert
0,6 mg/m3
Verbraucher
DNEL zu Pentanonoxim in einem Sicherheitsdatenblatt:
8.1 zu überwachende Parameter
Bestandteile mit arbeitsplatzbezogenen, zu überwachenden Grenzwerten
Zusätzliche Hinweise
Als Grundlage dienten die bei der Erstellung gültigen Listen.
Reaktionsprodukt: 2-Pentanoneoxime CAS: 623-40-5
DNEL (Data for WORKERS)
INHALATION Exposure
Systemic effects
Long-term: (DNEL) 8,3 mg/m3
Quelle: ECHA
Die DNEL findet man auf der Webseite der Europäischen Chemikalienagentur ECHA in den Registrierungsdossiers der einzelnen Stoffe. Allerdings ist die Suche dort sehr kompliziert, sodass die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) eine DNEL-Liste pflegt, in der DNEL für die Arbeitnehmer zu inhalativ-systemischen und inhalativ-lokalen Wirkungen aufgeführt sind.

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