-- WEBONDISK OK --

03151 Digitale Live-Unterweisungen

Ein Baustein in der Weiterentwicklung des Unterweisungssystems

Der Beitrag spricht sich für digitale Live-Unterweisungen mit den vorhandenen Videokonferenztools des eigenen Unternehmens aus. In Live-Formaten können die wichtigsten rechtlichen Voraussetzungen für eine gute, interaktive Unterweisung erfüllt werden. Durch die Nutzung verschiedener Tools und eine kluge Planung und Durchführung werden digitale Live-Unterweisungen zu einer guten Ergänzung in einem sinnvollen Unterweisungskonzept – auch über die Zeiten der Corona-Pandemie hinaus. Wir zeigen, worauf man bei der Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation achten muss und welche Möglichkeiten, aber auch Stolpersteine es gibt.
von:

1 Einleitung

Digitalisierung im Unterweisungssystem
Corona-Pandemie, Digitalisierung der Arbeitswelt, Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle und der Arbeitsorganisation: Deutschland erlebt auch im Arbeits- und Gesundheitsschutz einen Digitalisierungsschub, und es gilt das „neue Normal” klug zu gestalten. Digitale Lern- und Unterweisungsmodule haben schon seit Langem Einzug gehalten in die Unterweisungspraxis der Betriebe. Sie funktionieren meist asynchron als E-Learning-Module, können also zeitversetzt von den Mitarbeitenden bearbeitet werden. Da sie nur bedingt die rechtlichen Anforderungen an Unterweisungen erfüllen, können sie jedoch nur ein kleiner Baustein in einem umfassenden, klug durchdachten Unterweisungssystem sein. Anders dagegen digitale Live-Unterweisungen. Sie werden synchron, also zeitgleich, mit den Mitarbeitenden durchgeführt, und wenn sie dialogisch angelegt sind, können sie die rechtlichen Anforderungen an Unterweisungen erfüllen. Dafür können ganz einfach die regulären Videokonferenztools des Unternehmens verwendet werden, eventuell ergänzt um das eine oder andere digitale Zusatztool. Für Führungskräfte, Sicherheitsfachkräfte und alle anderen Verantwortlichen und Beteiligten für und an Unterweisungen ist der technische Schritt in die digitale Live-Unterweisung seit dem März 2020 also im Grunde ein kleiner.
Dieser Artikel diskutiert zunächst Stolpersteine, Erfolgsfaktoren und Anwendungsfelder von digitalen Live-Unterweisungen. Danach geht er auf die Unterschiede zwischen fertigen E-Learning-Elementen und digitalen Live-Unterweisungen ein. Es wird gezeigt, wie Letztere zu einem gut durchdachten Unterweisungskonzept beitragen und auch über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus nützlich sein können. Es wird diskutiert, wie diese Formate interaktiv und rechtssicher(er) gestaltet werden können. Abgerundet wird der Artikel durch konkrete Tipps zur Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von Live-Online-Unterweisungen. Abschließend skizziert er, wie eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Unterweisungsqualität gelingen kann.

2 Wie kann ich die digitale Live-Unterweisung nachhaltig und effizient gegen den Baum fahren?

Qualitätsbremser jeder Unterweisung
Nehmen wir es vorweg: Natürlich kann ich auch die digitale Live-Unterweisung erfolgreich „schrotten” – wie jede andere Unterweisung auch. Es finden sich 15 Tipps, die dabei garantiert helfen:
1.
Versenden Sie zwei verschiedene Einwahl-Links für die Unterweisung, ändern Sie drei Mal den Termin und schicken Sie fünf verschiedene Einladungen.
2.
Beginnen Sie die Einladungsmail mit dem Satz „Wir müssen ja noch die alljährliche Unterweisung abarbeiten.”
3.
Laden Sie 120 Mitarbeitende gleichzeitig zur Unterweisung ein.
4.
Ignorieren Sie es, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter technische Probleme hat und nur die Hälfte mitbekommt.
5.
Halten Sie mit monotoner Stimme einen Zwei-Stunden-Vortrag und stehen Sie dabei im Gegenlicht, sodass auch niemand Ihre Mimik sieht. Steigerung: Schauen Sie dabei konsequent zu keiner Zeit in die Kamera.
6.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Mikrofon viel zu leise eingestellt ist.
7.
Überprüfen Sie auf keinen Fall, ob die Mitarbeitenden tatsächlich zuhören und mitdenken.
8.
Vergessen Sie die Teilnehmerliste zu speichern oder einen Screenshot von der Teilnehmerliste anzufertigen.
9.
Wenn Sie nach einem Jahr feststellen, dass Unterschriften zur Unterweisung fehlen, stressen Sie die Kolleginnen und Kollegen mit dem Thema unter Verweis auf Ihren Auditor.
Ignorieren der Expertisen
Die All-Time-Favoriten, die auch in der analogen Welt immer funktionieren:
1.
Garnieren Sie eingeblendete Folien möglichst mit kleiner Schrift und viel Text – und von dieser Sorte verwenden Sie extrem viele Folien.
2.
Sprechen Sie über die Theorie und auf keinen Fall über die konkrete betriebliche Praxis vor Ort.
3.
Erzählen Sie den Expertinnen und Experten, die täglich die Arbeit machen, wie sie ihre Arbeit machen sollen.
4.
Führen Sie die Unterweisung vor der Mittagspause durch oder besser noch: direkt vor dem Feierabend.
5.
Besonderen Effizienzgewinn erlangen Sie, wenn Sie zehn Jahre lang immer das Gleiche erzählen und dabei das gleiche Material verwenden.
6.
Stellen Sie am Ende der Unterweisung unbedingt eine geschlossene Frage wie zum Beispiel: „Gibt's noch Fragen?”
Unterweisungen als Schlüssel zu sicherem Arbeiten
Es gibt viele Praxisbeispiele, mit denen die Liste beliebig erweitert werden könnte. Leider. Doch man kann es besser machen und klüger anstellen. Denn Unterweisungen sind ein ganz zentraler „Kommunikationsschlüssel”, um sicheres Arbeiten überhaupt erst zu ermöglichen.

3 Für welche Situationen und Themen ist die digitale Live-Unterweisung geeignet?

Das persönliche Unterweisungsgespräch, möglichst im Team, auf der Schicht, im Arbeitsbereich sollte immer die bevorzugte Form der Unterweisung sein. Dennoch gibt es Situationen, in denen Menschen sich an verschiedenen Orten befinden (müssen) und der Aufwand, am selben Ort zusammenzukommen, in keinem guten Verhältnis zum Nutzen steht. Ein paar Beispiele:
Anlässe für digitale Live-Unterweisungen
Mitarbeitende befinden sich zum Teil im Homeoffice oder an verschiedenen Orten auf dem Werksgelände (und können aufgrund der Corona-Abstandsregeln nicht in einem Raum zusammenkommen).
Es sollen Führungskräfte verschiedener Standorte unterwiesen werden.
Ich möchte für eine kurze Sequenz oder ein kleines Fachgespräch in der Unterweisung eine Expertin oder einen Experten hinzuziehen, die/der sich an einem anderen Ort oder in einem anderen Land aufhält.
Es sollen vor Ort Details der Anlage oder eines Geräts besprochen werden, wo die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.
Mitarbeitende in Kurzarbeit sollen vor Rückkehr in den Betrieb zu Änderungen unterwiesen werden.
Erfahrungen liegen vor
Für solche oder ähnliche Situationen, in denen Menschen nicht an einem Ort zusammenkommen können, kann die digitale Live-Unterweisung ein ganz hilfreiches Format sein, und zahlreiche Mitarbeitende haben damit in den vergangenen Monaten bereits viel Erfahrung gesammelt.
Wichtige Unterweisungsthemen können und müssen nicht warten
Thematisch ist vieles in digitalen Live-Unterweisungen denkbar. Natürlich kann keine praktische Übung an Maschinen oder Fahrzeugen erfolgen. Doch das sichere Verhalten und gesundes Arbeiten können sehr gut und unterstützt mit Fotografien oder Kurzvideos besprochen werden. Wie und wo stellen wir den Stapler sicher ab? Was beachten wir beim Chemikalientransport zwischen zwei Anlagenteilen? Wie entsorgen wir verwendete Pipetten sicher? Solche und ähnliche Fragen sind auch ohne Vor-Ort-Begehung besprechbar. Viele Themen in den Betrieben können nicht warten, bis wieder alle Menschen in einem Raum zusammenkommen können. Sind digitale Live-Unterweisungen klug mit kleinen Präsenzunterweisungen kombiniert, gibt es rechtlich gar keine Probleme. Was zur Rechtssicherheit konkret im Auge zu behalten ist, wird im Folgenden dargestellt.

4 Was ist rechtlich zu beachten?

Rechtliche Verunsicherung zügig überwinden
Die Verbreitung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten hat 2020 einen enormen Aufschwung erlebt, und zu Recht fragen die Akteure im Arbeitsschutz, ob digitale Live-Unterweisungen überhaupt rechtssicher sind. Erfahrungen mit der Rechtsprechung gibt es kaum, und auch die Berufsgenossenschaften zögern zum Teil mit konkreten Antworten. Dementsprechend groß ist die Verunsicherung. Doch schaut man sich ein paar rechtliche Aspekte an, ist vieles gar nicht mehr fremd und neu. Die wesentlichen Vorgaben zu Unterweisungen:
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbschG) fordert, dass die Beschäftigten „während der Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen” sind (ArbSchG § 12 (1)). Es kann in Pandemiezeiten angemessen sein, sich für den digitalen Kommunikationsraum zu entscheiden.
Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen (ArbSchG § 3) und zu dokumentieren – so auch die Ergebnisse der Überprüfung (ArbSchG § 6). Das ist bei digitalen Live-Unterweisungen möglich.
Unterweisungen sind aufgaben-, arbeitsmittel-, tätigkeitsbezogen durchzuführen (ArbSchG § 12 (1)).
Unterweisungen haben in verständlicher Form zu erfolgen (geregelt z. B. in DGUV Vorschrift 1, GefStoffV, BetrSichV).
Teilweise ist geregelt, dass bestimmte Unterweisungen mündlich zu erfolgen haben (z. B. GefStoffV § 14 (2)).
E-Learning allein gibt keine Rechtssicherheit
Setzt man beispielswiese digitale Unterweisungsmodule bzw. E-Learning-Module ein, die über die betriebliche Software zur Verfügung gestellt und asynchron, also zeitversetzt, bearbeitet werden können, entstehen in mehrfacher Hinsicht rechtliche Probleme: Sie sollten auf keinen Fall allein zur Unterweisung in Themen dienen, für die mündlich zu unterweisen ist (z. B. Gefahrstoffe). Auch ist fraglich, ob die Inhalte der Module konsequent an die betrieblichen Bedingungen angepasst wurden und die betriebliche Praxis vor Ort abbilden. Bei digitalen Live-Unterweisungen stellen sich diese Probleme nicht. Es wird mündlich unterwiesen, es besteht also auch die Möglichkeit für Rückfragen. Außerdem kann ich bereits während der Unterweisung feststellen, ob die Inhalte verständlich waren, indem ich methodisch vielfältig die Mitarbeitenden und ihre Expertise einbinde und viele Fragen stelle.

Weiterlesen und „Arbeitsschutz besser managen digital“ 4 Wochen gratis testen:

  • Das komplette Know-how in Sachen Arbeitsschutz
  • Zugriff auf alle Fachbeiträge und Arbeitshilfen
  • Onlinezugriff – überall verfügbar


Sie haben schon ein Abonnement oder testen bereits? Hier anmelden

Ihre Anfrage wird bearbeitet.
AuthError LoginModal