03131 Arbeitssicherheit (be)greifbar machen
Lernen durch Erleben
Machen Sie doch Ihre erste Unfallerfahrung in einer sicheren Umgebung und lernen Sie durch eigenes Ausprobieren an Maschinen, Werkzeugen oder Arbeitsabläufen die Risiken und Gefahren kennen, denen Sie im späteren Betrieb oder auf der Baustelle ausgesetzt sind. Mit der Methode „Bewusst in sicherer Umgebung Fehler machen dürfen” simulieren wir so realistisch wie möglich, wie schnell ein Unfall passieren kann, was die Folgen von unsicherem Arbeiten oder Verhalten sein können, und erklären, welche Schutzmaßnahmen implementiert sind, um solche Unfälle in der Realität zu verhindern. Durch das selbstständige Ausprobieren soll ein besseres und nachhaltigeres Verständnis für Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz geschaffen werden, das das zukünftige Verhalten sowie das Risikobewusstsein der Mitarbeitenden positiv beeinflusst. von: |
1 Einleitung
Die Vermeidung von Arbeitsunfällen durch geeignete Sicherheitsunterweisungen/Schulungen oder Trainingsmaßnahmen ist unumstritten eines der effektivsten Mittel, um Mitarbeitende für mögliche Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz zu sensibilisieren. Neben den herkömmlichen Klassenraumschulungen hat in den letzten Jahren die Vielfalt an technologiebasierten Sicherheitsschulungen wie E-Learning und Virtual-Reality (VR)-Animationen oder Augmented Reality (AR) sehr stark in den Unternehmen zugenommen. Doch wie effektiv und vor allem wie effizient sind solche Trainingsmaßnahmen? In der Arbeitssicherheit verhält es sich wie bei allen anderen Lernprozessen im Leben auch. Die kognitive Wahrnehmung dient als maßgebliche Informationsquelle. Das bedeutet vereinfacht, die zu trainierenden Mitarbeitenden über Hören, Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken die Informationen so aufnehmen zu lassen, dass sie jederzeit bestmöglich abrufbar sind. Zusätzlich bleibt das Erlernte nachhaltig in Erinnerung und kann bei Bedarf weiterverarbeitet und verknüpft werden. Da die einzelnen Sinne aber bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, empfiehlt es sich, bei Sicherheitsunterweisungen/Schulungen oder Trainings auf diese Individualität einzugehen.
Hinzu kommt, dass Masse und Komplexität an Arbeitssicherheitsanweisungen aus den verschiedensten Bereichen sowie der dazugehörigen Schulungsmaterialien immens zugenommen haben. Die meisten Unternehmen stehen heute unter einem enormen Wettbewerbsdruck, sodass die Zeit zur Durchführung sicherheitsrelevanter Schulungen nur begrenzt zur Verfügung steht. Es geht also darum, eine möglichst effektive Methode zu wählen, um dieses Wissen so effizient wie möglich zu vermitteln und im Gedächtnis zu verankern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, wie das Gedächtnis funktioniert.
• | 10 % von dem, was wir lesen |
• | 20 % von dem, was wir hören |
• | 30 % von dem, was wir sehen |
• | 50 % von dem, was wir hören und sehen |
• | 70 % von dem, worüber wir selbst sprechen |
• | 90 % von dem, was wir selbst ausprobieren, ausführen und weitergeben |
Vereinfacht betrachtet erreichen herkömmliche Klassenraumschulungen oder E-Learnings demnach eine „Behaltensleistung” von etwa 50 %, VR- oder AR-Schulungen vielleicht 70 %. Die Frage stellt sich also, weshalb die mit 90 %, Behaltensleistung erfolgreichste Methode, also das Ausprobieren und Durchführen, so selten bei Sicherheitsschulungen in Betracht gezogen wird?
Learning by doing
Es gibt viele Bereiche, in denen die „90 %-Methode” mittlerweile als Standard implementiert ist. Üblicherweise werden Evakuierungsübungen vom Betriebsgelände in regelmäßigen Intervallen in Form einer realen Übung durchgeführt, es gibt Trainingsparks für Brandschutzübungen unter realen Bedingungen oder Fahrsicherheitstrainings, um Risiken und Gefahren sowie richtiges Verhalten zu trainieren. „Learning by doing” ist das Erfolgsrezept. Doch ausgerechnet in der Arbeitssicherheit wird diese Methode noch viel zu selten angewendet. Dabei bietet das Feld Arbeitssicherheit doch eine ideale Basis, um in einer sicheren Testumgebung durch Ausprobieren zu lernen, wie Unfälle entstehen, was die Konsequenzen von unsicherem Arbeiten oder Verhalten sind, wo die Gefahren und Risiken zu erwarten sind und mit welchen Maßnahmen Unfälle am Arbeitsplatz verhindert werden können.
Es gibt viele Bereiche, in denen die „90 %-Methode” mittlerweile als Standard implementiert ist. Üblicherweise werden Evakuierungsübungen vom Betriebsgelände in regelmäßigen Intervallen in Form einer realen Übung durchgeführt, es gibt Trainingsparks für Brandschutzübungen unter realen Bedingungen oder Fahrsicherheitstrainings, um Risiken und Gefahren sowie richtiges Verhalten zu trainieren. „Learning by doing” ist das Erfolgsrezept. Doch ausgerechnet in der Arbeitssicherheit wird diese Methode noch viel zu selten angewendet. Dabei bietet das Feld Arbeitssicherheit doch eine ideale Basis, um in einer sicheren Testumgebung durch Ausprobieren zu lernen, wie Unfälle entstehen, was die Konsequenzen von unsicherem Arbeiten oder Verhalten sind, wo die Gefahren und Risiken zu erwarten sind und mit welchen Maßnahmen Unfälle am Arbeitsplatz verhindert werden können.
Oder nach Aristoteles: „Was man lernen muss, um es zu tun, das lernt man, indem man es tut.”
2 Lernen durch Erleben – praktische Ansätze zur Durchführung
„Sicherheit praktisch Ausprobieren? Besser nicht, nachher passiert noch was.”
Ein sicherer Arbeitsplatz und eine sichere Arbeitsumgebung und damit verbunden die Minimierung von Risiken und Gefahren mittels geeigneter Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden vor Unfällen am Arbeitsplatz. So oder so ähnlich beginnen viele Definitionen zum Thema Arbeitssicherheit. Des Weiteren regeln in Deutschland zahlreiche Gesetze und Verordnungen und daraus abgeleitete Vorschriften und Richtlinien die Anforderungen an den Arbeitsschutz. Es scheint, dass gerade in Deutschland von den systemischen Anforderungen alles Nötige für eine hohe Arbeitssicherheit vorhanden ist, d. h. Regelwerke, Vorschriften, Richtlinien, Anweisungen usw. Warum handeln wir dann in puncto Arbeitssicherheit nicht so, wie wir sollten?
Einige wiederkehrende Heuristiken, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden, können möglicherweise als Erklärung dienen:
• | Macht der Gewohnheit: „Wir haben das schon immer so gemacht.” |
• | Falsche Risikowahrnehmung: „Das wird schon halten.” |
• | Überschätzung der eigenen Fähigkeiten: „Mir passiert schon nichts.” |
• | Ignorieren von Vorschriften: „Ich kletter nur kurz da hoch.” |
• | Verweigerungshaltung: „Lass mich mit dem Safety-Quatsch in Ruhe.” |
• | Risikoakzeptanz: „Ich weiß, was ich tue. Kein Problem.” |
• | Gefahren und Risiken nicht (er)kennen: „Das ist doch nicht gefährlich.” |
• | Verschobene Prioritäten: „Arbeitsschutz? Das bremst uns nur aus.” |
Verhaltensbedingt und vermeidbar
Je nach Studie und Quelle sind zwischen 80 % und weit über 90 % aller Arbeitsunfälle verhaltensbedingt und vermeidbar. In einem Bericht des Umweltbundesamtes über den Einfluss menschlicher Faktoren auf Unfälle in der verfahrenstechnischen Industrie wird geschrieben: „Analysen von Unfalldaten zeigen, dass menschliche Faktoren eine kausale oder beitragende Rolle in 50–80 % der untersuchten Ereignisse spielen” [2] .In einem weiteren Artikel zum Thema „Die Wahrheit über Arbeitsunfälle” wird darauf verwiesen, dass „bei 80,5 % der Unfälle die Ursache aus dem Verhaltensbereich kommt” [3] .
Je nach Studie und Quelle sind zwischen 80 % und weit über 90 % aller Arbeitsunfälle verhaltensbedingt und vermeidbar. In einem Bericht des Umweltbundesamtes über den Einfluss menschlicher Faktoren auf Unfälle in der verfahrenstechnischen Industrie wird geschrieben: „Analysen von Unfalldaten zeigen, dass menschliche Faktoren eine kausale oder beitragende Rolle in 50–80 % der untersuchten Ereignisse spielen” [2] .In einem weiteren Artikel zum Thema „Die Wahrheit über Arbeitsunfälle” wird darauf verwiesen, dass „bei 80,5 % der Unfälle die Ursache aus dem Verhaltensbereich kommt” [3] .
Hinzu kommen weitere zu berücksichtigende Aspekte in Bezug auf die Arbeitssicherheit im internationalen Projektgeschäft:
• | Sprachbarrieren bei internationalen Projekten |
• | Analphabetismus in Schwellen-/Entwicklungsländern |
• | Kulturelle Differenzen |
• | Personalfluktuation |
• | Missverständnisse bei der Kommunikation |
Sicherlich gibt es neben den gerade genannten Aspekten noch eine Vielzahl von weiteren individuellen Anforderungen zu berücksichtigen. Wie kann nun eine praktische Anwendung dazu beitragen, dass Mitarbeitende besser verstehen, warum Unfälle passieren, Spaß daran haben, sichere Verhaltensweisen zu erlernen, und ein erweitertes Sicherheitsbewusstsein entwickeln?
2.1 Konstruktion und Baustellen
Sicherheitstrainingsmodule für Baustellen
Großbaustellen verfügen über ein erhebliches Unfallpotenzial und gehören damit zu den gefährlichsten Arbeitsorten für Mitarbeitende. Infolge des ständigen Arbeitsfortschritts verändert sich die Baustelle kontinuierlich und damit auch die Gefahrenquellen und Risiken. Der Bereich Konstruktion und Baustellen umfasst Sicherheitstrainingsmodule (s. Abb. 1), die einen Großteil der bekannten Gefahren und Risiken mittels praktischer Anwendungen unter kontrollierten Bedingungen nachstellen.
Großbaustellen verfügen über ein erhebliches Unfallpotenzial und gehören damit zu den gefährlichsten Arbeitsorten für Mitarbeitende. Infolge des ständigen Arbeitsfortschritts verändert sich die Baustelle kontinuierlich und damit auch die Gefahrenquellen und Risiken. Der Bereich Konstruktion und Baustellen umfasst Sicherheitstrainingsmodule (s. Abb. 1), die einen Großteil der bekannten Gefahren und Risiken mittels praktischer Anwendungen unter kontrollierten Bedingungen nachstellen.
Einige Beispiele sind:
• | Arbeiten mit Geräten und schweren Maschinen |
• | Aushubarbeiten, Tunnel-/Bergbauarbeiten, Brückenbau |
• | Elektroarbeiten, Lock-Out-/Tag-Out*-Handwerkzeuge |
• | Arbeiten in der Höhe, Gerüstbau, Kranarbeiten |
• | Arbeiten in beengten Räumen (Confined Space) |

Unfallschwerpunkt Baumaschinen
Baumaschinen wie Bagger, Radlader oder Kipplaster sind Standardfahrzeuge auf Baustellen. Diese Maschinen sind in Bewegung und somit ein erhebliches Unfallrisiko für Mitarbeitende, die mit dem Gerät selbst oder in dessen Gefahrenbereich arbeiten oder sich bewegen. Grund genug, einen näheren Blick auf die Trainingsmodulvarianten zu werfen.
Baumaschinen wie Bagger, Radlader oder Kipplaster sind Standardfahrzeuge auf Baustellen. Diese Maschinen sind in Bewegung und somit ein erhebliches Unfallrisiko für Mitarbeitende, die mit dem Gerät selbst oder in dessen Gefahrenbereich arbeiten oder sich bewegen. Grund genug, einen näheren Blick auf die Trainingsmodulvarianten zu werfen.
Das Sicherheitstraining in diesem Modul lässt die Mitarbeitenden hautnah erleben, wie es zu einem Unfall aufgrund eines toten Winkels kommt. Radlader, Planierraupen und Walzen fahren ca. 40 % bis 50 % ihrer Einsatzzeit rückwärts. In einem Rollenspiel werden zwei Personen hinter dem Fahrzeug positioniert. Die Personen haben sich damit schon mal in eine unsichere Situation gebracht und unterhalten sich zusätzlich über den Baufortschritt auf der Baustelle. So wird auf begleitende Unfallursachen aufmerksam gemacht, die leider allzu häufig zu beobachten sind. Dazu gehören u. a. der Aufenthalt von Personen hinter Fahrzeugen, fehlender Sichtkontakt zwischen Maschinenführer und der Person, defekter Signalton/Alarm bei Rückwärtsfahrt sowie der durch Ablenkung verursachte Verlust der Aufmerksamkeit auf das Baustellengeschehen.