05040 Verhaltensbasierte Sicherheit (BBS)
Mit verhaltensorientierter Arbeitssicherheit die Sicherheitskultur verbessern
Behavior Based Safety (BBS) ist die Anwendung der Verhaltenswissenschaften auf das menschliche Verhalten im Bereich der Arbeitssicherheit. Sicheres oder unsicheres Verhalten von Beschäftigten ist das Ergebnis von Einflüssen aus der physischen und sozialen Umwelt: Beschäftigte verhalten sich sicher oder unsicher, weil die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, dieses Verhalten begünstigen. Um das Verhalten zu ändern, wird mit den Mitarbeitern zusammengearbeitet, insbesondere durch Feedback, das auf der Beobachtung des Verhaltens basiert. BBS wird als systematische Anerkennung und Wertschätzung für sicheres Arbeiten verstanden. BBS ist weltweit die am besten untersuchte und wirksamste Maßnahme zur Stärkung des sicheren Arbeitsverhaltens und zur Verbesserung der Sicherheitskultur. von: |
1 Verhaltensorientierter Arbeitsschutz
Warum ist das Verhalten für den Arbeitsschutz relevant? Dass das Verhalten einen Einfluss auf die Entstehung von Arbeitsunfällen hat, ist wohl jedem klar. Dennoch konzentriert sich das Arbeitsschutzmanagement vorrangig auf den technischen und organisatorischen Arbeitsschutz, um Unfälle zu vermeiden. Es gilt – zu Recht – das so genannte TOP-Prinzip: Zuerst muss versucht werden, Gefahrenquellen technisch auszuschließen (z. B. durch eine Lichtschranke, die beim Durchbrechen die Maschine abschaltet), dann müssen Regelungen getroffen werden, die Arbeitsunfälle vermeiden (z. B. wird der Aufenthalt in bestimmten Bereichen verboten). Das „P” im TOP-Prinzip steht für die personenbezogenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes, also solche, die an der Person des Beschäftigten ansetzen und immer dann angezeigt sind, wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend greifen. Es ist aber nicht die Person, die den Unfall verursacht. Die Eigenschaften der Person (früher sprach man von der so genannten Unfallpersönlichkeit) sagen nichts über die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls aus. Es ist das Verhalten, das diese Person in der jeweiligen Situation zeigt, das den Unfall verursacht. Die Situation wiederum sagt die Wahrscheinlichkeit unsicheren Verhaltens voraus.
Meist verhaltensbedingt
Unsicheres Verhalten ist die Ursache vieler Arbeitsunfälle. Verschiedene Studien, in denen die Unfallursachen untersucht wurden, zeigen, dass die meisten Arbeitsunfälle verhaltensbedingt sind, in dem Sinne, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn sich der Arbeitnehmer anders verhalten hätte. Zwischen 76 und 96 Prozent aller Unfälle sollen demnach verhaltensbedingt sein.
Unsicheres Verhalten ist die Ursache vieler Arbeitsunfälle. Verschiedene Studien, in denen die Unfallursachen untersucht wurden, zeigen, dass die meisten Arbeitsunfälle verhaltensbedingt sind, in dem Sinne, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn sich der Arbeitnehmer anders verhalten hätte. Zwischen 76 und 96 Prozent aller Unfälle sollen demnach verhaltensbedingt sein.
Nur selten führt ein einmaliges unsicheres Verhalten direkt zu einem Unfall. Ein Beispiel dafür ist ein Schweißer, der ohne Blendschutz schweißt. Er bezahlt dieses unsichere Verhalten mit fast 100-prozentiger Sicherheit mit einem Arbeitsunfall, dem „Blenden” der Augen. In den meisten Fällen kann man sich aber auch unsicher verhalten, ohne dass es zu einem Arbeitsunfall kommt. Dies veranschaulicht die Sicherheitspyramide (s. Abb. 1).
Abb. 1: Die Sicherheitspyramide (© Bördlein)
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Die meisten Staplerfahrer fahren immer wieder rückwärts, ohne sich umzuschauen. Sie glauben, dass es ausreicht, die Spiegel oder die Rückfahrkamera zu benutzen. Rückwärtsfahren ohne sich umzusehen" ist jedoch ein unsicheres Verhalten in dem Sinne, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls beim Rückwärtsfahren ohne sich umzusehen größer ist als beim Rückwärtsfahren mit sich umzusehen. Der Staplerfahrer kann dieses unsichere Verhalten sehr oft zeigen, ohne dass etwas passiert. Selten kommt es zu einem Beinaheunfall (der Kollege springt gerade noch zur Seite) oder zu einem Sachschaden. Noch seltener kommt es zu Unfällen mit Personenschaden (der Staplerfahrer fährt dem Kollegen über den Fuß). Ganz selten (viele Staplerfahrer erleben es in ihrem ganzen Berufsleben nie) kommt es zu einem schweren Arbeitsunfall, möglicherweise mit Todesfolge. Für einzelne Bereiche (z. B. Straßenverkehr) gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass zwischen den einzelnen Schichten der Pyramide jeweils mehrere Zehnerpotenzen liegen (man kann Tausende von Fahrfehlern machen, ohne dass es zu einem Unfall kommt).
Der traditionelle Ansatz besteht darin, sich auf die Spitze der Pyramide zu konzentrieren, d. h. auf die schweren Arbeitsunfälle und gegebenenfalls auf die leichteren Arbeitsunfälle (Erste-Hilfe-Fälle). Schon die Beinahe-Unfälle sind schwer zu erfassen, entsprechende Bemühungen in den Betrieben sind oft wenig erfolgreich. Über das Ausmaß der Basis der Pyramide, die unsicheren Handlungen, liegen in der Regel nur anekdotische Daten vor.
Mitarbeiter nicht „schuld” am Unfall
Was bedeutet es nun, dass die meisten Unfälle „verhaltensbedingt” sind? Der Unfall wurde durch das Verhalten des Arbeitnehmers verursacht. Wenn man verhaltensbedingte Arbeitsunfälle vermeiden will, muss man zunächst verstehen, warum der Mitarbeiter sich so und nicht anders verhalten hat. Hier kann man ansetzen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um das sichere Verhalten zu fördern, was wiederum das unsichere Verhalten reduziert und die Basis der Pyramide verkleinert.
Was bedeutet es nun, dass die meisten Unfälle „verhaltensbedingt” sind? Der Unfall wurde durch das Verhalten des Arbeitnehmers verursacht. Wenn man verhaltensbedingte Arbeitsunfälle vermeiden will, muss man zunächst verstehen, warum der Mitarbeiter sich so und nicht anders verhalten hat. Hier kann man ansetzen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um das sichere Verhalten zu fördern, was wiederum das unsichere Verhalten reduziert und die Basis der Pyramide verkleinert.
Schuldfrage trägt Nichts zur Lösung bei
Die Frage, ob der Arbeitnehmer im juristischen oder moralischen Sinne schuld an dem Unfall ist, trägt nicht zur Lösung des Problems bei, wie die Arbeitnehmer dazu gebracht werden können, häufiger sicher und seltener unsicher zu arbeiten. Im Gegenteil, eine moralische Sichtweise behindert eher die Analyse und damit die Lösung des Problems. Wenn ich befürchten muss, für den Arbeitsunfall verantwortlich gemacht zu werden (moralisch, juristisch...), werde ich vielleicht nicht ausreichend an der Aufklärung der Unfallursache mitarbeiten. Natürlich ist die Schuldfrage aus juristischer Sicht nicht banal und muss gegebenenfalls gestellt werden. Auch macht es für unser subjektives Empfinden einen Unterschied, ob sich der Mitarbeiter vorsätzlich, fahrlässig oder ahnungslos in Gefahr gebracht hat. Das ändert aber nichts an der Aufgabe, zu verstehen, warum sich Menschen sicher oder unsicher verhalten, bevor man versucht, ihr Verhalten zu ändern.
Die Frage, ob der Arbeitnehmer im juristischen oder moralischen Sinne schuld an dem Unfall ist, trägt nicht zur Lösung des Problems bei, wie die Arbeitnehmer dazu gebracht werden können, häufiger sicher und seltener unsicher zu arbeiten. Im Gegenteil, eine moralische Sichtweise behindert eher die Analyse und damit die Lösung des Problems. Wenn ich befürchten muss, für den Arbeitsunfall verantwortlich gemacht zu werden (moralisch, juristisch...), werde ich vielleicht nicht ausreichend an der Aufklärung der Unfallursache mitarbeiten. Natürlich ist die Schuldfrage aus juristischer Sicht nicht banal und muss gegebenenfalls gestellt werden. Auch macht es für unser subjektives Empfinden einen Unterschied, ob sich der Mitarbeiter vorsätzlich, fahrlässig oder ahnungslos in Gefahr gebracht hat. Das ändert aber nichts an der Aufgabe, zu verstehen, warum sich Menschen sicher oder unsicher verhalten, bevor man versucht, ihr Verhalten zu ändern.
2 Warum verhalten sich Menschen sicher bzw. unsicher?
Ursachen sind in der Umwelt
Die meisten Menschen betrachten Verhalten als etwas, das „aus der Person” kommt. Ein Mitarbeiter verhält sich zum Beispiel unsicher, weil er leichtsinnig ist. Solche Zuschreibungen sind aber offensichtlich zirkulär: Woher weiß ich, dass der Mitarbeiter „leichtsinnig” ist? Weil er unsicher gehandelt hat. Dann kann ich aber nicht sagen, dass sein Leichtsinn die Ursache für sein unsicheres Verhalten ist. Sinnvoller ist es, die Ursache des Verhaltens in der gegenwärtigen und vergangenen Umwelt der Person zu suchen. Diesen Weg geht die Verhaltensanalyse. Sie ist eine Form der Psychologie, die sich stark an naturwissenschaftlichen Methoden orientiert und versucht, Verhalten und seine Ursachen möglichst objektiv zu untersuchen.
Die meisten Menschen betrachten Verhalten als etwas, das „aus der Person” kommt. Ein Mitarbeiter verhält sich zum Beispiel unsicher, weil er leichtsinnig ist. Solche Zuschreibungen sind aber offensichtlich zirkulär: Woher weiß ich, dass der Mitarbeiter „leichtsinnig” ist? Weil er unsicher gehandelt hat. Dann kann ich aber nicht sagen, dass sein Leichtsinn die Ursache für sein unsicheres Verhalten ist. Sinnvoller ist es, die Ursache des Verhaltens in der gegenwärtigen und vergangenen Umwelt der Person zu suchen. Diesen Weg geht die Verhaltensanalyse. Sie ist eine Form der Psychologie, die sich stark an naturwissenschaftlichen Methoden orientiert und versucht, Verhalten und seine Ursachen möglichst objektiv zu untersuchen.
Vorausgehende Bedingungen
Die experimentelle und angewandte Verhaltensanalyse betrachtet Verhalten als Ergebnis der Formung durch die Bedingungen, unter denen es auftritt. Dabei wird zwischen Vor- und Nachbedingungen unterschieden. Vorbedingungen sind alle Ereignisse, die vor dem Verhalten auf die Person eingewirkt haben. Die Tatsache, dass ich einen Beitrag über BBS schreibe, hat als Vorbedingungen u.a, dass ich einen Körper habe, der mir diese Tätigkeit erlaubt (physische Bedingung), dass ich in meinem Leben viele Dinge gelernt habe (schreiben, wissen, was Verhaltensanalyse und BBS ist usw.) (eine Lerngeschichte), dass ich einen Computer habe, den ich bedienen kann, um diesen Text zu schreiben (materielle Bedingung), dass ich vom Verlag den Auftrag bekommen habe, diesen Artikel zu schreiben (Anlass) und dass ich heute Morgen in meinem Kalender die Notiz gefunden habe, dass es endlich Zeit ist, diesen Artikel zu schreiben (prompt oder Erinnerung).
Die experimentelle und angewandte Verhaltensanalyse betrachtet Verhalten als Ergebnis der Formung durch die Bedingungen, unter denen es auftritt. Dabei wird zwischen Vor- und Nachbedingungen unterschieden. Vorbedingungen sind alle Ereignisse, die vor dem Verhalten auf die Person eingewirkt haben. Die Tatsache, dass ich einen Beitrag über BBS schreibe, hat als Vorbedingungen u.a, dass ich einen Körper habe, der mir diese Tätigkeit erlaubt (physische Bedingung), dass ich in meinem Leben viele Dinge gelernt habe (schreiben, wissen, was Verhaltensanalyse und BBS ist usw.) (eine Lerngeschichte), dass ich einen Computer habe, den ich bedienen kann, um diesen Text zu schreiben (materielle Bedingung), dass ich vom Verlag den Auftrag bekommen habe, diesen Artikel zu schreiben (Anlass) und dass ich heute Morgen in meinem Kalender die Notiz gefunden habe, dass es endlich Zeit ist, diesen Artikel zu schreiben (prompt oder Erinnerung).
Folgen meines Verhaltens
Mein Verhalten, diesen Beitrag zu schreiben, hat wiederum Folgen (Konsequenzen). Unter anderem ist das Schreiben dieses Beitrags mit einem gewissen Verhaltensaufwand für mich verbunden (nicht zu schreiben wäre einfacher), ich werde früher oder später ermüden, wenn ich weiter tippe.
Mein Verhalten, diesen Beitrag zu schreiben, hat wiederum Folgen (Konsequenzen). Unter anderem ist das Schreiben dieses Beitrags mit einem gewissen Verhaltensaufwand für mich verbunden (nicht zu schreiben wäre einfacher), ich werde früher oder später ermüden, wenn ich weiter tippe.