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09202 Künstliche Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt

Künstliche Intelligenz (KI) ist als Schlagwort aus dem Alltag und den Nachrichten nicht mehr wegzudenken. Auf der einen Seite scheint es, als ob für die neue Technologie kein Hindernis zu groß wäre. Andererseits gibt es immer wieder Beispielanwendungen, die für Menschen keine Schwierigkeit darstellen, an denen die Algorithmen jedoch scheitern.
In diesem Beitrag schätzen Expert:innen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Situation aus der Perspektive des Arbeitsschutzes ein. In dem Beitrag wird ein Überblick über KI gegeben und schlaglichtartig beleuchtet, welche Chancen sich für den Arbeitsschutz bieten. Gleichzeitig wird dargelegt, welche Risiken die Technologie mit sich bringt und wie mit ihnen umgegangen werden kann.
von:

1 Einleitung

Unter dem Begriff „künstliche Intelligenz” (KI) wird eine ganze Reihe von Verfahren und Methoden zusammengefasst, die es einem Computer ermöglichen, Aufgaben zu bewältigen, die ursprünglich nur von Menschen bearbeitet werden konnten. Mithilfe dieser neuen Technologie sind Computer z. B. in der Lage, selbstständig Regelmäßigkeiten in Daten zu erfassen oder auch auf vage gestellte Anfragen präzise Antworten zu liefern. Die Begeisterung über die neuen Möglichkeiten, die sich erahnen lassen, ist ebenso prominent wie die dadurch entstehenden Unsicherheiten. In diesem Text geht es um KI als Werkzeug des Arbeitsschutzes.
Dazu beschäftigt sich das erste Kapitel mit KI im Allgemeinen. Es liefert eine Arbeitsdefinition von KI, einen Überblick über die Verbreitung von KI in Europa und Deutschland, eine generelle Diskussion der Risiken von KI und einen Überblick, mit dem sich die Rolle von KI im Arbeitsschutz im Allgemeinen einordnen lässt.
Im zweiten Kapitel wird genauer auf einzelne Einsatzmöglichkeiten von KI im Arbeitsschutz eingegangen. Das Kapitel endet mit einem detaillierteren Einblick in die Risikobewertung von KI.
Das dritte Kapitel ist das Fazit der Autorinnen und Autoren und enthält einige Empfehlungen zum Umgang mit KI in der Arbeitsschutzpraxis.

1.1 Was ist KI?

Da es keine allgemein akzeptierte Definition von Intelligenz gibt, ist es schwierig, den Begriff der künstlichen Intelligenz konsistent zu definieren. Entsprechend unterschiedlich sind die KI-Definitionen, die von verschiedenen Interessengruppen verwendet werden. In der Gesetzgebung haben Definitionen den Zweck, den Regulierungsgegenstand zu benennen. Im Fall der KI-Regulation sind dies Softwaremethoden und Anwendungen. [1]
Unterschiedliche Definitionen
In der Wissenschaft hingegen gibt es zum einen Definitionen, die die Prozesse in der Maschine mit denen im menschlichen Verstand vergleichen: „KI ist ein technisches System, das in der Lage ist, menschliche Denkprozesse nachzuahmen”. Zum anderen gibt es Definitionen, die sich auf den Lernprozess der Maschine beziehen, z. B. „KI ist die Bezeichnung für ein technisches System, das in der Lage ist, selbstständig aus Daten Schlüsse oder Handlungsweisen abzuleiten, ohne dass diese explizit im System kodiert sind”.
Die akademischen Disziplinen der Datenwissenschaft und des maschinellen Lernens studieren die Entwicklung von Software, die im Allgemeinen mit KI assoziiert wird. Dabei wird oft vollständig auf den Begriff KI verzichtet. Stattdessen wird über die konkrete Methode des maschinellen Lernens geschrieben, die verwendet wird. Die Frage, ob es sich dabei um KI handelt, steht nicht im Fokus [2].

1.1.1 KI-Definition in diesem Beitrag

Trotz der oben genannten Einschränkungen finden Sie nachfolgend eine Arbeitsdefinition, was im Kontext dieses Beitrags unter KI verstanden wird. Zunächst folgt eine Abgrenzung gegenüber klassischen Computerprogrammen.
Schritte der Abgrenzung
Bei Letzteren werden alle Schritte, der komplette Weg, mit dem das Programm eine gegebene Eingabe in eine Ausgabe überführen kann, von den Programmierenden explizit vorgegeben.
Beispiele:
Das Berechnen eines Werts nach einer mathematischen Formel.
Das Sortieren von Dateinamen in alphabethischer Reihenfolge.
Das Speichern einer Nutzereingabe in einer Datenbank.
Das Übertragen der Inhalte einer Website auf den PC eines Nutzers, der die Website aufruft.
Arbeitsdefinition:
Als KI werden Computerprogramme verstanden, die durch die Verarbeitung von Daten unter Berücksichtigung eines von der Programmiererin/vom Programmierer vorgegebenen Ziels zu dem Weg gelangen, wie die Eingabe in eine Ausgabe überführt werden soll.
Beispiele:
Bei genetischer Algorithmik wird ein Computerprogramm zufällig verändert. Es wird getestet, ob das veränderte Programm besser ist (kommt es z. B. schneller zu einer Lösung). Wenn das so ist, wird die zufällige Änderung übernommen – ähnlich dem Evolutionsprozess, der in der Natur stattfindet.
Künstliche neuronale Netze (KNN) sind eine Klasse von Computerprogrammen, die die Funktion biologischer Nervensysteme nachahmen. Die künstlichen Nervenverbindungen werden gebildet, indem das Netzwerk auf einem Satz von Ein- und Ausgabedaten trainiert wird. So kann das Netzwerk z. B. lernen, Verkehrsschilder auf Fotos zu erkennen oder Handschrift zu lesen (Ein guter Überblick zu KNN und anderen Basistechnologien des maschinellen Lernens findet sich in [3]).

1.1.2 KI versus Digitalisierung

Die Begriffe KI und Digitalisierung werden oft zusammen verwendet. Im Folgenden finden Sie eine Definition des Begriffs Digitalisierung und eine Abgrenzung zu KI.
Optionaler Bestandteil im Digitalprozess
Wir sprechen von Digitalisierung [4], wenn sich analoge Leistungserbringung in einem digitalen, computerhandhabbaren Modell ganz oder teilweise vollzieht. An dieser Stelle setzt dann KI hauptsächlich bei der Leistungserbringung im digitalen Modell an (s. Abb. 1). KI ist also optionaler Bestandteil eines digitalisierten Prozesses.
Unterstützen kann KI außerdem bei der Digitalisierung eines analogen Prozesses, z. B. durch das Überführen von handschriftlichen Texten digitale Textdokumente mittels Bildverarbeitung.
Abb. 1: Darstellung von Digitalisierung in Arbeitsabläufen als Fließbild

1.2 Überblick: KI-Nutzung in Europa und Deutschland

Nach Angaben der EU-Kommission [5] nutzten 2024 13,5 % der Unternehmen in der EU mit zehn oder mehr Beschäftigten künstliche Intelligenz, um ihre Geschäftsprozesse durchzuführen. Bei Unternehmen mit über 250 Beschäftigten waren es sogar 41,2 %. Die am häufigsten eingesetzten Anwendungen sind Text-Mining, natürliche Sprachgenerierung, Spracherkennung und Datenanalyse. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Nutzung in jeder Kategorie zu.
Speziell in Deutschland nutzen inzwischen 20 % aller Unternehmen KI [6]. Das ist eine Zunahme um 8 % im Vergleich zum Vorjahr. Großunternehmen nutzen die Technologie mehr als mittlere und Kleinunternehmen. Die Quote liegt derzeit bei 48 %. Der Kontext, in dem KI in Deutschland eingesetzt wird, sind vorranging Marketing und Vertrieb (33 %). Dem folgen Produktions- oder Dienstleistungsprozesse (25 %), Organisation von Unternehmensverwaltungsprozessen und Managementaufgaben (24 %) sowie Buchführung, Controlling oder Finanzverwaltung (24 %). Aus der Perspektive der Beschäftigten ist die Nutzung von KI bei der Arbeit in Deutschland noch verbreiteter. Etwa 62 % der Befragten geben an, bei der Arbeit KI zu nutzen. Etwa die Hälfte dieser Personen gibt außerdem an, dass Häufigkeit ihrer Nutzung in den letzten fünf Jahren zugenommen hat [7].
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