03153 Möglichkeiten der digitalen Unterweisung im ArbeitsschutzE-Learning, Videokonferenzen, Fahrsimulatoren und ihre rechtliche Einordnung
Unterweisungen sind ein essenzieller Grundbestandteil des Arbeitsschutzes und dienen dazu, Gefährdungen zu vermeiden und Unfälle zu verhindern. Sie werden vom Arbeitsschutzgesetz und von der Betriebssicherheitsverordnung rechtlich gefordert und müssen unter anderem vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit, nach Unfällen/Beinaheunfällen und regelmäßig mindestens einmal jährlich durchgeführt werden. von: |
1 E-Learning als Trend
Schon seit einigen Jahren, spätestens jedoch seit der Coronapandemie, hat die digitale Durchführung von Unterweisungen mittels E-Learning oder Videokonferenzen enorm an Bedeutung gewonnen. In viele Betriebe hat das Thema aufgrund der Notlage, dass sich die Mitarbeitenden nicht in Präsenz versammeln konnten bzw. durften, Einzug erhalten. Geblieben ist es jedoch nicht zuletzt auch wegen der organisatorischen und finanziellen Vorteile.
Organisatorische Herausforderung
Unabhängig von pandemischen Ausnahmesituationen kennen es viele Unternehmer und Führungskräfte nur zu gut: Plötzlich steht wieder die jährliche Unterweisung an. Alle Teilnehmenden zur gleichen Zeit am selben Ort zu versammeln, ist gerade in größeren Betrieben häufig eine Herausforderung, weshalb die Vorgesetzten sich für eine digitale E-Learning-Unterweisung entscheiden.
Unabhängig von pandemischen Ausnahmesituationen kennen es viele Unternehmer und Führungskräfte nur zu gut: Plötzlich steht wieder die jährliche Unterweisung an. Alle Teilnehmenden zur gleichen Zeit am selben Ort zu versammeln, ist gerade in größeren Betrieben häufig eine Herausforderung, weshalb die Vorgesetzten sich für eine digitale E-Learning-Unterweisung entscheiden.
Rechtliche Einordnung
Ob und unter welchen Voraussetzungen digitale Unterweisungen überhaupt rechtlich zulässig und seitens der Arbeitssicherheit sinnvoll sind, soll in diesem Beitrag geklärt werden.
Ob und unter welchen Voraussetzungen digitale Unterweisungen überhaupt rechtlich zulässig und seitens der Arbeitssicherheit sinnvoll sind, soll in diesem Beitrag geklärt werden.
Digitale Unterweisung unterstützend
Eines vorab: Unterstützend können digitale Unterweisungen fast immer eingesetzt werden. Letztlich soll in diesem Beitrag allerdings vor allem der spannenden Frage nachgegangen werden, ob digital durchgeführte Unterweisungen die Präsenzunterweisungen gänzlich ersetzen können. Neben wichtigen Grundlagen zum Thema werden unter anderem folgende Aspekte thematisiert:
Eines vorab: Unterstützend können digitale Unterweisungen fast immer eingesetzt werden. Letztlich soll in diesem Beitrag allerdings vor allem der spannenden Frage nachgegangen werden, ob digital durchgeführte Unterweisungen die Präsenzunterweisungen gänzlich ersetzen können. Neben wichtigen Grundlagen zum Thema werden unter anderem folgende Aspekte thematisiert:
1. | Rechtliche Grundlagen und Anforderungen an digitale Unterweisungen |
2. | Vor- und Nachteile sowie rechtliche Einordnung von E-Learning und Videokonferenzen als Hauptanwendungsfällen für digitale Unterweisungen |
3. | Unterschiede des Einsatzes von digitalen Lehrmethoden bei Unterweisungen und Qualifizierungen |
4. | Einsatz von Simulatoren als Möglichkeit, auch praktische Übungen digital durchzuführen |
2 Präsenzunterweisungen als Standard
Einordnung der DGUV R 100-001
Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bezieht zunächst ganz klar Stellung bezüglich der digitalen Durchführung von Unterweisungen:
Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bezieht zunächst ganz klar Stellung bezüglich der digitalen Durchführung von Unterweisungen:
„Grundsätzlich sind persönliche Unterweisungen durchzuführen; als Hilfsmittel sind elektronische Medien einsetzbar.”
Aus: DGUV R 100-001 Abschnitt 2.3.1
Standardmäßig wird also davon ausgegangen, dass Unterweisungen in Präsenz stattfinden. Erst in einem zweiten Schritt wird ergänzt, dass „elektronische Medien” eingesetzt werden können, allerdings nur als „Hilfsmittel”. Die Formulierung „Grundsätzlich” lässt allerdings rechtlich bereits eine Möglichkeit offen, von diesen Vorgaben in begründeten Fällen abzuweichen.An anderer Stelle findet man in der zitierten DGUV Regel auch folgende Aussage:
„Die mündliche Unterweisung hat in verständlicher Form und Sprache stattzufinden.”
Aus: DGUV R 100-001 Abschnitt 2.3.1
Dies hebt erneut hervor, dass immer zunächst vom Standardfall der mündlichen Unterweisung in Präsenz ausgegangen wird.Zur rechtlichen Einordnung: Die DGUV R 100-001 konkretisiert an diesen Stellen den für Unterweisungen essenziellen vierten Paragrafen der DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention” und hat für die rechtliche Auslegung von digitalen Unterweisungen einen hohen Stellenwert. Auf der anderen Seite wurde diese DGUV Regel zuletzt im Mai 2014 aktualisiert, und in den letzten zehn Jahren hat sich bezüglich der Möglichkeiten der Umsetzung von digitalen Unterweisungen technisch und seitens der Infrastruktur in Unternehmen einiges getan. Zudem handelt es sich bei einer DGUV Regel nach wie vor um eine sogenannte Regel der Technik, die prinzipiell ein Abweichen zulässt, solange die Arbeitssicherheit in gleichem oder höherem Maße auf andere Art und Weise gewährleistet wird.
Weitere ähnliche Aussagen der DGUV finden sich in einer DGUV-Information 211-005 mit dem Titel „Unterweisung – Bestandteil des betrieblichen Arbeitsschutzes”, die auf dem ebenfalls recht alten Stand von Juli 2012 ist:
„Die Unterstützung mit elektronischen Hilfsmitteln soll und kann nicht die persönliche Unterweisung und das Mitarbeitergespräch durch den jeweiligen Vorgesetzten vor Ort ersetzen.”
Aus: DGUV I 211-005 Kapitel 8
Elektronische Hilfsmittel unterstützen
Dabei werden die „elektronischen Hilfsmittel” zusätzlich nur als „Unterstützung” bezeichnet, und es wird erneut festgehalten, dass ein Ersatz von Präsenzunterweisungen seitens der Unfallversicherung nicht gewünscht ist. Eine DGUV Information ist rechtlich allerdings niedriger einzustufen als eine DGUV Regel oder gar eine zwingend einzuhaltende Unfallverhütungsvorschrift.
Dabei werden die „elektronischen Hilfsmittel” zusätzlich nur als „Unterstützung” bezeichnet, und es wird erneut festgehalten, dass ein Ersatz von Präsenzunterweisungen seitens der Unfallversicherung nicht gewünscht ist. Eine DGUV Information ist rechtlich allerdings niedriger einzustufen als eine DGUV Regel oder gar eine zwingend einzuhaltende Unfallverhütungsvorschrift.
Begrifflichkeiten
Auffällig ist, dass seitens der DGUV etablierte Begrifflichkeiten wie „digital”, „online”, „E-Learning” oder „Videokonferenzen” keine Verwendung finden. Es ist stets die Rede von Unterweisungen mittels „elektronischer Medien” oder „elektronischen Hilfsmitteln”, was vermutlich auch dem Alter der Vorgaben geschuldet ist.Bei den beiden etabliertesten Formen der digitalen Unterweisung E-Learning und Videokonferenzen, die in diesem Beitrag behandelt werden, handelt es sich um solche „elektronischen Medien” bzw. „elektronischen Hilfsmittel”.
Auffällig ist, dass seitens der DGUV etablierte Begrifflichkeiten wie „digital”, „online”, „E-Learning” oder „Videokonferenzen” keine Verwendung finden. Es ist stets die Rede von Unterweisungen mittels „elektronischer Medien” oder „elektronischen Hilfsmitteln”, was vermutlich auch dem Alter der Vorgaben geschuldet ist.Bei den beiden etabliertesten Formen der digitalen Unterweisung E-Learning und Videokonferenzen, die in diesem Beitrag behandelt werden, handelt es sich um solche „elektronischen Medien” bzw. „elektronischen Hilfsmittel”.
TRBS 1116 zu digitalen Unterweisungen
Auch außerhalb der DGUV werden ähnliche Ansichten bezüglich einer Abweichung vom Präsenzformat vertreten. So ist in der TRBS 1116 – einer Regel der Technik, die wesentlich aktueller im November 2022 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht wurde und die die Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert – Folgendes zu lesen:
Auch außerhalb der DGUV werden ähnliche Ansichten bezüglich einer Abweichung vom Präsenzformat vertreten. So ist in der TRBS 1116 – einer Regel der Technik, die wesentlich aktueller im November 2022 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht wurde und die die Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert – Folgendes zu lesen:
„Im Zusammenspiel mit Präsenzunterricht kann Unterricht auch in digitaler Form, z. B. als Video-Technologie oder E-Learning, durchgeführt werden, wenn ein ausreichendes Verständnis der Inhalte sichergestellt werden kann.”
Aus: TRBS 1116 Punkt 4.3 Abs. 2
Hinweis: Dieser Passus bezieht sich an dieser Stelle der TRBS 1116 zwar auf die Anforderungen an Qualifizierungen, lässt sich aber analog auch auf Unterweisungen übertragen.
Die Formulierung klingt zwar etwas lockerer bezüglich der Umsetzung von digitalen Unterweisungen, der Auszug „im Zusammenspiel” lässt allerdings ebenfalls darauf schließen, dass der Präsenzunterricht nicht ersetzt, sondern nur ergänzt werden soll. Es werden u. a. die Umsetzungen mittels „E-Learning” und „Videotechnologie” (in diesem Beitrag als Videokonferenz bezeichnet) genannt, die Schwerpunkte dieses Beitrags sind.
3.1 Anforderungen
Was fordert die DGUV?
Werden Unterweisungen anders als im zunächst angenommenen Standardfall nicht ausschließlich persönlich in Präsenz abgehalten, stellt die DGUV folgende zusätzliche Forderung auf:
Werden Unterweisungen anders als im zunächst angenommenen Standardfall nicht ausschließlich persönlich in Präsenz abgehalten, stellt die DGUV folgende zusätzliche Forderung auf:
„Bei Unterweisungen mit Hilfe elektronischer Medien ist allerdings darauf zu achten, dass
• | diese Unterweisungsinhalte arbeitsplatzspezifisch aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden, |
• | eine Verständnisprüfung stattfindet und |
• | ein Gespräch zwischen Versicherten und Unterweisenden jederzeit möglich ist.” |
Aus: DGUV R 100-001 Abschnitt 2.3.1
Nahezu identische Anforderungen sind auch in Kapitel 8 der DGUV I 211-005 festgehalten. Sie sollen verhindern, dass die Informationsvermittlung und das Verständnis durch die Digitalisierung leiden.
Die Anforderung einer Verständnisprüfung gilt im Übrigen allgemein für alle Unterweisungen – demnach auch für Präsenzunterweisungen:
„Der Unternehmer hat sich zu vergewissern, dass die Versicherten die Inhalte verstanden haben.”
Aus: DGUV R 100-001 Abschn. 2.3.2
Methodik/Didaktik besonders wichtig
Die TRBS 1116 ergänzt die Anforderungen an digitale Unterweisungen:
Die TRBS 1116 ergänzt die Anforderungen an digitale Unterweisungen:
„Neben inhaltlichen Anforderungen müssen die eingesetzten digitalen Formate auch methodischen und didaktischen Anforderungen genügen.”
Aus: TRBS 1116 Punkt 4.3 Abs. 2
Ausführungen zu Grundsatz GS-IAG-01
Genauere Informationen zu inhaltlichen und methodisch-didaktischen Anforderungen finden sich im Grundsatz GS-IAG-01 mit dem Titel „Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Web Based Trainings als elektronische Hilfsmittel zur Unterweisung”. Dieses Dokument – herausgegeben von der DGUV bzw. dem IAG („Institut für Arbeit und Gesundheit” – nicht zu verwechseln mit dem „Institut für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz” in Mainz, kurz auch IAG Mainz genannt) – legt Kriterien fest, die Anbieter von E-Learning-Produkten, an dieser Stelle als „Web Based Trainings” bezeichnet, erfüllen müssen, um eine Zertifizierung durch die DGUV zu erhalten.
Genauere Informationen zu inhaltlichen und methodisch-didaktischen Anforderungen finden sich im Grundsatz GS-IAG-01 mit dem Titel „Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Web Based Trainings als elektronische Hilfsmittel zur Unterweisung”. Dieses Dokument – herausgegeben von der DGUV bzw. dem IAG („Institut für Arbeit und Gesundheit” – nicht zu verwechseln mit dem „Institut für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz” in Mainz, kurz auch IAG Mainz genannt) – legt Kriterien fest, die Anbieter von E-Learning-Produkten, an dieser Stelle als „Web Based Trainings” bezeichnet, erfüllen müssen, um eine Zertifizierung durch die DGUV zu erhalten.